Im Rahmen einer Kooperation mit der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel ist eine Textreihe entstanden. Lisei Ziesmer (CAU Kiel) porträtiert Danijela Pivašević-Tenner:
Risse ziehen sich über die Oberfläche und lassen die Porzellanschollen auseinanderbrechen. Und doch driften sie nicht, weil sie sich in den Untergrund gekrallt haben. Der Sessel direkt im Eingang von Danijela Pivašević-Tenners Atelier lädt ein, näher heran zu treten. Setzen aber sollte man sich nicht: Er ist vollkommen mit ungebranntem Porzellan überzogen. Daneben im Regal entäußern sich u.a. klassisch geformte Kannen ihr Dekor. Ob es eine Abstoßreaktion ist oder ein liebevolles Loslassen alter vergangener Formen kann nicht sicher gesagt werden. Einige Kannen oder Milchkännchen lassen es sanft aus sich herausfließen. Andere wiederum scheinen vor der Dekoration wegzuspringen oder sie auszuspeien.
Diese diversen Ausdrücke sind nicht das einzige Vielfältige an Pivašević-Tenner. Die Künstlerin ist nicht nur oft Teilnehmende an Residence-Programmen, Symposien und anderen Keramik-Events, sie ist auch Dozentin, Kuratorin und die künstlerische Leiterin des Künstlerhaus Stadttöpferei Neumünster. In dem kleinen roten Klickerhaus mitten im Fürsthof organisiert und betreut sie das Programm „Ceramic-Artist-in-Residence“ und bereitet sich aktuell auf eine Ausstellung vor, die am 13.9.2018 um 19 Uhr in der Galerie Postel in Hamburg eröffnet wird.
Sie bereiten sich momentan auf eine neue Ausstellung vor. Woran arbeiten Sie und wie gehen Sie das an?
Wo soll ich anfangen, dass zu beantworten? Alles hat seinen Sinn in meiner Arbeit und ich fange nie bei Null an. Denn wenn ich zurückgehe zu meinen alten Arbeiten, dann ergibt sich ein Spektrum von Themen. Die sind über die Zeit gewachsen und haben sich entwickelt. Das ist wirklich spannend auch für mich als Künstlerin. Denn ich weiß nicht, wo das Ende ist. Wann ist das Ende da? Und wenn das Ende da ist, höre ich dann mit der Kunst auf? Direkt nach meinem Studium 2005 war mir noch nicht bewusst, dass es sich um bestimmte Richtungen und Themen handelt, die ich bearbeite. Inzwischen ist mir das aber klar geworden.
Konkret zu der Ausstellung im September: Mein Plan ist dort eine große Wohnzimmersituation auszustellen, die komplett mit Porzellan überdeckt sein werden wird: D.h original, Sofa, Sessel, Lampe, alles was zum bürgerlichen Wohnzimmer gehört.
Mit diesen Arbeiten gehe ich so um, dass ich am liebsten vor Ort arbeite. An Ausstellungsorten herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Und das Gefühl, die Arbeit direkt vor Ort entstehen zu lassen, ist nicht zu vergleichen mit dem, als würde man ein Werk nur anliefern. So entsteht eine ganz besondere Beziehung zwischen mir, meiner Arbeit, dem Ort und meinen Werken. Dafür muss ich dann z.B. drei Wochen vorher anfangen das Porzellan zu gießen. Ein Vorgang, den ich solange wiederhole, bis eine Schicht von ungefähr zehn Zentimetern entstanden ist. Ich fange so früh an, dass das Porzellan bei der Eröffnung in einem lederharten Zustand ist. Es soll noch glänzen aufgrund der Feuchtigkeit, aber nicht mehr ganz flüssig sein. Die Leute dürfen es anfassen und das tun sie auch oft ungerne. Nicht nur, weil sie den Zustand der Gegenstände nicht einschätzen können, sondern auch weil das Material durch seine Unklarheit so anziehend ist.
Über die zwei Wochen der Ausstellung hinweg transformiert sich das Material. Die Farbe wird von gräulich nass zu weiß, wenn sie trocknet. Und was ich am spannendsten finde: Die Gegenstände bekommen Risse. Die kann ich nicht kontrollieren. Manchmal sind sie rhythmisch nah beieinander oder auch ganz durcheinander. Das geschieht dadurch, dass ich das Porzellan nicht brenne und es deswegen unfixiert ist.
Eine weitere Arbeit hat mit Teppich zu tun. Ich werde in dem hintersten Ausstellungsraum einen einen Teppich auslegen und ihn dann mit Ornamenten verzieren. Dazu nutze ich wieder flüssiges Porzellan, mit dem ich auf den Teppich nach Vorlagen malen werde. Die Besucher sind eingeladen über den Teppich zu laufen. Dabei werden sie das Porzellanornament verändern, da es ebenfalls ungebrannt ist. Sie werden Teile abbrechen und es durch die ganze Galerie tragen. Das Werk verteilt sich so überall.
Dieses Spektrum an Themen, das Sie vorhin angesprochen haben. Welche ist das?
Zuerst einmal geht es immer wieder um wiedererkennbare Alltagsobjekte. Eben Dinge, die jeder von uns kennt, die wir alle nutzen. Ein Sessel, auf dem man sitzt, eine Tasse, aus der man trinkt oder eine Vase, in die ich meine Blumen stelle. Dabei ist die Herkunft der Formen sehr unterschiedlich: Ob nun eine indonesische Vase, eine westliche Teekanne ist da egal. Mir ist wichtig, was ich daraus mache: Ich verändere sie, halbiere sie oder deformiere sie. Eine meiner häufig verwendeten Strategien ist es nämlich, funktionelle Gegenständen ihre Funktion zu nehmen. Das passiert auch, indem ich sie mit Porzellan bedecke oder übergieße.
Mein Interesse daran, ist die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Sie sollen sich darüber bewusst werden, was z.B. Massenproduktion bedeutet. Was der Konsum mit uns macht und wie unser Alltag voll von Dingen ist, die wir gar nicht richtig wahrnehmen. Z.b. Repräsentation, des eigene gesellschaftlich Status oder auch damit verbundene Rituale. Deswegen verwende ich auch meistens Porzellan – das weiße Gold – um auf Gegenstände als Statussymbole hinzuweisen.Es geht also auch darum, sich über Materialien Gedanken zu machen und wie unterschiedliche Werkstoff das Leben beeinflussen.
Um die Aufmerksamkeit der Menschen zu bekommen, gibt es immer viele Angebote der Interaktion. Die Besucher dürfen z.B. mein Porzellan-Wohnzimmer anfassen und ganz anders erleben. Ich hatte auch lange Zeit die Neumünsteraner gebeten, mir ihre Milchkännchen zu bringen. Das ist ein kaum beachteter Gegenstande, den wir aber irgendwie alle Zuhause haben. Erst dadurch, dass ich sie darüber befrage, wird vielen bewusst, wie viele Erinnerungen und Bedeutungen an diesen Kännchen eigentlich hängen. So verändert sich ihre Sichtweise.
Ein Thema fällt immer wieder auf. Wieso geht es immer ums Fließen?
Das kann ich Ihnen auch jetzt nicht beantworten. Ich habe mir die gleiche Frage auch schon gestellt. Und ich fragte mich, ob mir das Wissen persönlich und auch als Künstlerin bei meiner Arbeit weiterhilft, oder ob ich überhaupt so weit fragen sollte. Vielleicht kommt die Antwort irgendwann später zum Vorschein. Ich habe beschlossen vor einem Jahr: Nein, das will ich wirklich nicht analysieren. Ich lasse das. Natürlich gibt es manchmal Katalogtexte, die das auseinander nehmen. Ich lese die auch gerne. Einige sind auch passend, aber ich nehme sie nicht richtig ernst. Es soll mich nämlich nicht beeinflussen. Hätte ich die klare Antwort, habe ich das Gefühl, dass es vorbei ist. Da kommt man wieder an den Anfang: Wann ist das Ende? Wann ist meine Kunst vorbei? Ich möchte ja nicht, dass es vorbei ist.
Ab dem 14.9.18 ist Danijela Pivašević-Tenners Ausstellung in der Postel Galerie in Hamburg zu sehen. Die Eröffnung ist am 13.9.18 um 19 Uhr.