Die beiden Künstlerinnen aus Belarus und Leipzig waren im März und April im Keramikkünstlerhaus im Rahmen des Ceramic Artist Exchange Tandem Programms zu Gast.
Rozalina Busel (Belarus) verhandelt in ihrer Installation „Borders and Restrictions. One More Brick.“ die Themen Verlust, Abschied und Neuanfang. Im Zentrum der Arbeit steht der Vergleich zwischen dem Wechsel des Wohnortes und Bestattungsritualen sowie den damit verbundenen physischen und symbolischen Grenzen.
Ausgangspunkt der Installation ist eine persönliche Kindheitserinnerung: Als Kind formte die Künstlerin aus gefundener Tonerde einen kleinen Sarg für eine große, leuchtend grüne Heuschrecke. Dieses realistische Spiel beinhaltete nicht nur die Konfrontation mit der Vergänglichkeit eines Lebewesens, sondern auch einen Moment des Trostes – ein Gefühl, das für sie Jahre später, fernab von Zuhause und Familie, wieder eine wichtige Rolle spielte.
Busel interpretiert in ihrer Arbeit Symbole von Beerdigung und Trauer neu. Sie verwendet keramische Objekte, die zugleich an Särge und an Ziegelsteine erinnern – letztere als Material, das Schutz bieten kann, aber ebenso Grenzen errichtet. Die ziegelartigen Särge, die an der Wand platziert sind, stehen für Ungewissheit und das Leben im Dazwischen – ein Zustand, der insbesondere Menschen betrifft, die durch Zwang zur Migration entwurzelt wurden.
Einige Objekte sind mit Pflanzenmotiven versehen – mittels Abziehbildern, sowohl vorgefertigt als auch durch künstliche Intelligenz generiert. Sie erzeugen die Ästhetik von Grußkarten, fungieren zugleich aber als stille Zeichen von Verlust, Erinnerung und Trauer.
Fotos: Anna Katharina Rowedder, Jantje Almstedt
Ruth Unger (Leipzig) zeigte im Keramikkünstlerhaus über 100 neue Masken aus ihrer fortlaufenden Serie „One Mask. One Day.“, erstmals in Keramik umgesetzt. Die elliptische Grundform mit drei Öffnungen bleibt stets gleich, doch jede Maske ist individuell gestaltet – mit aufmodellierten Objekten, Zeichnungen oder Abdrücken von Alltagsgegenständen. In ihrer Vielzahl bilden die Masken ein visuelles Archiv, das Fragen nach Identität, Darstellung und Wandel stellt.
Unger nutzt das Gesicht als Ort und Symbol – nicht als festes Abbild des Selbst, sondern als wandelbare Oberfläche, auf der sich persönliche, gesellschaftliche und kulturelle Zuschreibungen überlagern. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Groteske und Zartheit, zwischen Geste und Kontrolle, zwischen Humor und Melancholie. Dabei destabilisiert sie bewusst Bedeutung und fordert gängige Sehgewohnheiten heraus. Was sehe ich? Wer ist das? Und was bedeutet es, wenn sich Konturen nicht festlegen lassen?
Jede Maske ist Fragment und Ganzes zugleich – Teil eines vielstimmigen, sich ständig erweiternden Systems, in dem sich Intimes, Flüchtiges und Strukturelles unaufhörlich neu verhandeln.
Fotos: Anna Katharina Rowedder
Anlässlich der Ausstellungseröffnung entwickelte Ruth Unger eine Performance, die sie auch zur KULToURNACHT 2025 zeigte.
Fotos: Anna Katharina Rowedder