Eindrücke der Ausstellung von Anush Ghukasyan und Uriel Caspi

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Die beiden Künstler:innen aus Israel und Armenien waren im April und Mai im Keramikkünstlerhaus im Rahmen des Ceramic Artist Exchange Tandem Programms zu Gast.

Uriel Caspi (Israel)
Uriel Caspis Werk vereint die Wiederbelebung alter Handwerkskünste mit zeitgenössischer Atelierpraxis. Inspiriert von archäologischen Funden im Nahen Osten und futuristischem Design, zeigt er keramische Skulpturen, die anatomische Fragmente des „Posthumanen“ darstellen. Diese gehen über die vertraute menschliche Genetik hinaus, wo Natur und Technologie miteinander verschmelzen. Seine Formen basieren auf morphologischer Forschung, die sich über das Spektrum von Gefäß – Körper – Skulptur erstreckt. Die Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen dem Körper und dem keramischen Gefäß bestimmt die Proportionen und das Volumen des Objekts und führt zur Metamorphose des menschlichen Körpers in keramische Skulptur.

Foto: Jantje Almstedt

Die Suche nach der absoluten Wahrheit im Post-Post-Modernismus ist eine herausfordernde Aufgabe. Als Künstler und Wissenschaftler erkundet er neue Lebensräume, alternative Grammatiken und Einstellungen jenseits der vertrauten menschlichen Natur. Inspiriert von Feuer und Schwerkraft beeinflussen sich in dieser Installation die Skulpturen und die Inszenierung gegenseitig. Die Reflexionen des Hintergrunds in der Glasur erzeugen faszinierende optische Täuschungen.
Die Installation umfasst sowohl visuelle als auch konzeptionelle Aspekte sowie Forschung zu Materialien und Tonmethoden. Unter Verwendung der jahrhundertealten Bautechnik „Jarre-à-la-corde“, die zwei frühe menschliche Handwerke, Seil und Keramik, verbindet, beginnt der Prozess mit einem hölzernen Skelett. Sisalseil wird um das Skelett gewickelt, dann wird weicher Ton auf das Seil geschichtet. Sobald der Ton trocken ist, wird das innere Skelett und das Seil entfernt. Der Prozess des „Schälens“ des Seils und das Entleeren der Eingeweide erinnern an die menschliche Geburt und die Abtrennung der Nabelschnur. Der Prozess kombiniert traditionelle und digitale Fertigung und macht den Bau zu einem integralen Teil des Kunstwerks selbst.
Die Oberfläche der Skulpturen ist mit einer speziellen arabischen Lüster-Glasur mit Edelmetallen beschichtet, die nach dem Brennen im Ofen einen reflektierenden, schillernden Glanz erzeugt. Die reflektierende Oberfläche der Skulpturen fungiert wie ein Spiegel, der es den Betrachtern ermöglicht, sich innerhalb des Werks zu sehen. In dieser Installation spiegelt die Beschaffenheit der Glasur Ästhetik aus der Antike und eine visionäre Umgebung aus der Zukunft wider. Seit über 8 Jahren erforscht Caspi die alte Technik der Lüsterware. Arabische Lüster wurden im Mittelalter entlang der Küsten des Mittelmeers entwickelt. Diese Technik wurde nach zahlreichen Versuchen von Handwerkern und Töpfern entwickelt, Gold zu produzieren. Lange Zeit war sie in Geheimnis und Verschwiegenheit gehüllt.

Anush Ghukasyan (Armenien) zeigt eine Rauminstallation, in der sie Fragen zu Konsum und Kunst aufwirft und Bezüge zur aktuellen Situation in Armenien herstellt. Sie spielt mit häuslicher Gemütlichkeit und Geborgenheit und konfrontiert diese Gefühlslandschaft mit Symboliken von Unbehagen und letztendlich mit dem Tod.

Foto: Jantje Almstedt

In der Installation möchte die Künstlerin die Menschen in Bezug auf ihr alltägliches, routiniertes Leben verunsichern. Diese Leben verlaufen oft ohne Pause, was uns daran hindert, die Grausamkeit in unseren normalen, bequemen Gewohnheiten zu erkennen. Der ständige Überkonsum der Menschen führt dazu, dass unzählige Tiere unter schrecklichen Bedingungen aufgezogen und getötet werden, was einen dunklen Aspekt des menschlichen Verhaltens hervorhebt, der durch übermäßigen Konsumismus getrieben wird.
Sie kreiert einen Wohnraum, in welchen sie keramische Skulpturen einbindet. Alles scheint gewohnt, doch wird dieser Eindruck durch Absurditäten irritiert. Auf einem Stuhl steht ein übergroßer Kopf ohne Gesicht. Auf einem Tisch liegen zahlreiche Hühner ohne Kopf. Jedes Huhn trägt eine Nummer – Anush Ghukasayan möchte uns zum Nachdenken darüber bringen, dass die Zahlen, die wir erwähnen, nicht nur Statistiken sind – sie repräsentieren lebende Wesen und Tiere. Diese Reduktion auf Zahlen gilt auch für Menschen. Wenn wir über Katastrophen oder Kriege sprechen, nennen wir oft die Anzahl der verlorenen Leben, ohne zu erkennen, dass jede Zahl ein individuelles Leben repräsentiert.
Das Ziel der Künstlerin ist es, die Gewohnheit herauszufordern, Leben auf bloße Zahlen zu reduzieren. Sie möchte die Leichtigkeit stören, mit der wir diese Zahlen gedankenlos akzeptieren, und zu einem tieferen Bewusstsein für die Individualität und den Wert jedes Lebens anregen, sei es tierisch oder menschlich.